MITTELBAYERISCHE ZEITUNG: Tagespflege Bad Gögging – Sinnvolle Beschäftigung statt Abstellgleis

Heinz Erhard, Curt Jürgens und Lieselotte Pulver kippen als erstes um. Aber König Ludwig bleibt standhaft. Mit einem beherzten Wurf bringt Anna Knitl auch den Monarchen zu Fall. An diesem Tag steht in der Tagespflege Bad Gögging Tischkegeln auf dem Plan. Auf den Enden der Holzkegel kleben bekannte Gesichter aus Papier. Mit dem geschickten Rollen der Holzkugel sollen die Senioren die Kegel umwerfen. Was als Bewegungsangebot gedacht ist, soll vor allem auch Spaß bringen. Und den hat Knitl auf jeden Fall. Sie ist eine der fünf Gäste, die das Angebot der Schönes Leben-Tagespflege in Bad Gögging derzeit schon nutzen. Seit einer Woche ist die Tagespflege geöffnet. Platz ist für 25 Menschen, die hier montags bis freitags zwischen acht und 16 Uhr betreut werden könnten.

Anregung oder Rückzug
Renate Sentner und ihre beiden Kolleginnen Kerstin Rogoll und Silke Hess sind die guten Seelen des Hauses. Rogoll greift auch gerne mal zur Quetschn, Knitl und Reinhold Nahn, ein weiterer Gast, legen ein spontanes Tänzchen hin. Es sind Momenten wie diese, über die sich das Personal besonders freut.

Die Senioren bekommen hier so viel Anregung und Hilfe wie sie wollen und so viel Rückzug wie möglich. Wem es zu viel wird, der kann in den Ruheraum mit vielen bequemen Sesseln gehen, die sich nach hinten kippen lassen. Auf den zwei Pflegebetten können die Senioren bei Bedarf auch ein Mittagsschläfchen machen.

Die Tage sind im Ablauf immer ähnlich, aber trotzdem nie gleich: Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück und einer Zeitungsrunde. Sentner begrüßt jeden Gast persönlich, nimmt sich Zeit für jeden. Dann unterbreiten sie und ihr Team den Senioren ihre Gruppenangebote. Wer will, kann daran teilnehmen.

Aber auch einzeln werden Körper und vor allem der Geist trainiert. Dazu gibt es jede Menge Hilfsmittel, zum Beispiel Holzwürfel mit unterschiedlichem Inhalt, ein Hörmemory. Gebaut hat es, wie auch die Kegelbahn, Einrichtungsleiter Hermann Pigerl, der auch gelernter Schreiner ist. Ein Fühlmemory soll Sehbeeinträchtigten ermöglichen, ihre Tastsinne zu mobilisieren. Auch ein Duftmemory gibt es. Die Spiele sollen alle Sinne anregen und vor allem auch zum Reden animieren. Bei „Kochen ohne Herd“ beispielsweise wird den Gästen ein Bild mit einem beliebten Gericht aus der Kindheit gezeigt, dazu sollen sie dann die passenden Zutatenkärtchen heraussuchen. „Da kommen die meisten miteinander ins Gespräch“, sagt Sentner, die nach ihrer Altenpflegeausbildung eine Weiterbildung zur Gerontofachkraft gemacht hat. Sie hat immer neue Projekte im Kopf und viele Dinge selbst gebaut oder genäht, wie beispielsweise eine Nesteldecke: „Menschen mit Demenz spüren sich manchmal selbst nicht mehr so gut und fangen dann an, an sich zu zupfen oder sich zu kratzen.“ Die Nesteldecke, die wie eine Patchworkdecke aus unterschiedlichen Flecken besteht und mit aufgenähten Kleinigkeiten, wie Knöpfen oder Ringen, ganz viel Fühlerlebnisse bietet, kann Gäste mit Demenz beruhigen.

Aber auch Märchen sind ein guter Schlüssel zu Menschen mit Demenz. Deshalb gibt es hier auch eine Märchenecke, „da reicht meist, ihnen die erste Hälfte vorzusagen, der Rest kommt dann wie aus dem Effeff“, so Sentner. Miteinbezogen werden die Senioren einmal wöchentlich auch beim Kochen und Backen. Meist kommt das Essen aus der Küche des benachbarten Seniorendomizils Haus Adrian, dem Schwesterunternehmen. Aber einmal in der Woche dürfen die Gäste selbst den Kochlöffel schwingen. Bald soll zudem auch das Hochbeet auf der Terrasse angepflanzt werden, natürlich zusammen mit den Senioren. Sentner will dort auch einen Sinnesgarten anlegen lassen, der, ähnlich wie ein Barfußpfad, die Sinne anregen soll. Nur stehen statt der Füße dabei die Hände im Fokus.

„Ich glaube, es ist wichtig, dass unsere Gäste spüren, ,Mensch, ich bin ja noch was wert‘ “, sagt Sentner.

Auch Ursula Brandlmeier, die sich in der Nachbarschaftshilfe Neustadt für ältere Menschen engagiert, weiß, wie wichtig solche Angebote sind, und dass Senioren nicht auf das Abstellgleis geschoben werden. Sie ist an diesem Tag auch da, um sich ein Bild von der neuen Einrichtung zu machen. Lebenswerte Jahre „Es ist das Beste, wenn wir den Menschen noch ein paar lebenswerte Jahre bieten können.“ Und lebenswerte Zeit bekommen die Gäste hier allemal. 

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